Im Lehrplan liest es sich wunderbar, wenn Module aufeinander aufbauen. Die Realität sieht nach meiner Erfahrung aber meistens anders aus: Lehrinhalte aus vorangegangenen Semestern sind den Studierenden nicht mehr präsent, in Masterprogrammen kommen Studierende aus unterschiedlichen Studiengängen und Universitäten zusammen und ihre individuellen Vorlieben für verschiedene Thematiken sorgen für eine sehr heterogene Gemeinschaft. Auf Studierende zielgerichtet einzugehen, ist bei größeren Gruppen fast unmöglich und für eine allgemeine Wiederholung während der Veranstaltung fehlt mir in der Regel die benötigte Zeit.

Doch mit einigen Hilfsmitteln aus Moodle kann ich den Studierenden Lernpfade nach ihren individuellen Bedürfnissen ermöglichen, damit sie ihre Wissenslücken auffüllen und notwendige Techniken einüben können. Die Individualität ist wichtig, damit niemand gelangweilt oder überfordert wird. Mit kleinen Online-Tests stecke ich die Themenfelder der Veranstaltung ab und vermittle indirekt, welches Wissen ich in der jeweiligen Veranstaltung voraussetze. Durch die Selbsteinschätzung werden so manche Studierende auf unerkannte Wissenslücken aufmerksam.

Basierend auf den erzielten Ergebnissen, z. B. dem Prozentsatz richtiger Antworten oder den Antworten auf einzelne Fragen, kann ich dann gezielt Lernempfehlungen abgeben. Dabei finde ich es sinnvoll, möglichst konkret zu sein: direkte Links auf geeignete Lernvideos und weitere Übungsaufgaben mit Lösungen zur Selbstkontrolle senken die Hemmschwelle direkt mit dem Lernen und Wiederholen anzufangen. Lieber verlinke ich auf spezifische existierende Angebote, die abdecken was ich an Lerninhalt voraussetze. Wenn die Studierenden dann den Test mit besserem Ergebnis wiederholen, stellen sich sehr schnell Lernerfolge ein. In Moodle kann das sogar mit Badges spielerisch honoriert werden.

Abbildung 1: Innerhalb der Moodle-Tests können ganz unterschiedliche Fragetypen verwendet und den Fragen unterschiedliche Gewichte durch die zugeordneten Punkte gegeben werden.

Die hydraulische Grundwassermodellierung ist eine Veranstaltung im Master Geowissenschaften, in der viele andere Module zusammenkommen und verknüpft werden. Im Idealfall macht endlich alles einen Sinn; im schlechtesten Fall bleibt ein großes Durcheinander zurück. Zur numerischen Modellierung physikalischer Prozesse muss man Grundkenntnisse der Mathematik haben, denn es werden Differenzialgleichungen gelöst. Zur richtigen Anwendung benötigt man das Prozessverständnis der hydrogeologischen Vorgänge, Kenntnis über die verwendeten Parameter und über die in der Natur vorkommenden Gegebenheiten. Durch die computergestützte Berechnung kommen noch Aspekte der Informatik hinzu.

Nicht alle Studierende haben all das Wissen aus den Grundlagen-Modulen des Bachelors noch präsent. Eventuell haben sie sich in den letzten Semestern mit anderen Themen beschäftigt oder waren noch nie besonders stark in Mathematik oder dem Umgang mit Computern. Da ich nicht die ersten Wochen des Semesters damit verbringen kann, nochmal zu erklären, was eine mathematische Funktion ist oder wie Gesteinseigenschaften die Fließwege des Wassers beeinflussen, sind individuelle Lernpfade für mich ein Weg, keinen Studierenden abzuhängen.

Abbildung 2: Feedback in Moodle gestaffelt nach erreichter Punktezahl. Im Feedbacktext kann auf Lernmaterialien verwiesen und Lerninhalte empfohlen werden.

Da die Nutzung der zusätzlichen Lerninhalte in Moodle freiwillig und unbenotet ist, müssen die Studierenden eigenverantwortlich lernen und die notwendige Motivation dafür mitbringen. Wenn das Vor- und Nachbereiten der Materialien zu schnellen Lernerfolgen und einem besseren Verständnis der Lehrinhalte der Veranstaltung führen, so steigert das erfahrungsgemäß die Motivation die zusätzlichen Materialien auch zu verwenden. Durch das Timing und die Reihenfolge der Selbsttests und der Lernmaterialien kann ich als Dozent Einfluss auf die Motivation nehmen und auch darauf achten, dass Studierende nicht überfordert werden. Über Bedingungen in Moodle kann ich Themenbereiche erst erscheinen lassen, wenn ein anderer Test erfolgreich abgeschlossen wurde und so verhindern, dass Studierende vor einem großen Berg an Materialien stehen, was sie demotivieren könnte.

Die Veranstaltung Grundwassermodellierung gliedert sich in einige gröbere Themenschwerpunkte: Einen Einführungsteil mit der mathematischen Modellierung; der Vorstellung numerische Modellierungsmethoden und einem mehr anwendungsbezogenen Teil zur kritischen Analyse von Simulationsergebnissen. Zu Beginn jeden Themenkomplexes stelle ich kurze Tests mit ungefähr 10 Fragen oder kleinen Aufgaben online, die ich ggf. nochmal in kleinere Pakete unterteile. Automatisch stelle ich dann ein Feedback ein, indem ich z.B. sagen kann: „Dieses oder jenes war noch nicht richtig. Ich empfehle dieses Video/ diese Literaturquelle dazu. Hier sind auch noch ein paar Übungsaufgaben mit Lösungen, um wieder reinzukommen.“

Erfahrungsgemäß ist die Mathematik die größte Hürde für die Studierenden. Daher ist es günstig, dass diese am Anfang des Semesters ansteht und die Studierenden entsprechend Zeit haben sich wieder einzuarbeiten. Im weiteren Verlauf kündige ich die nächsten Themenblöcke mit etwas Vorlauf an und schalte die Tests und Lernmaterialien frühzeitig frei, damit ausreichend Zeit zur Vorbereitung ist. Gegen Ende des Semesters werden die Zusatzmaterialien naturgemäß immer weniger. So bleibt genug Zeit zur Vorbereitung auf die Modulklausur.

Natürlich ist so ein Moodle-Kurs nicht statisch. Über die Teilnehmerzahlen an den Selbsttests und auch an den Materialien kann ich am Ende des Semesters sehr gut sehen, welche Themen funktioniert haben und welche nicht. Das Interesse nahm im Laufe des Semesters ab, was auch zu erwarten war, da die Studierenden mit mehreren Aufgaben aus unterschiedlichen Veranstaltungen beschäftigt waren und die anfängliche Motivation etwas nachgelassen hat. Aber gerade in den mathematischen Themen am Anfang konnte ich in der Veranstaltung schnell merken wer die zusätzlichen Materialien genutzt hat und wer nicht, da viele Studierende angaben, dass ihnen entsprechende Vorkenntnisse fehlten. Auch wenn die Tests in Moodle genutzt wurden, so war der Spaß- und Unterhaltungsfaktor für die Studierenden bei den Kahoot Runden während der Veranstaltung wesentlich höher. Das nächste Mal werde ich deshalb versuchen die Tests in Moodle mit mehr „Gamification“-Aspekten attraktiver zu machen und eventuell das benötigte Vorwissen auch direkt in Kahoot Fragerunden mit einzubauen.

Als Lehrkraft sollte man den initialen Aufwand der Testgestaltung und das Erstellen der zusätzlichen Lernmaterialien nicht unterschätzen aber das grundsätzliche Prinzip hinter den Tests in Moodle lässt sich recht leicht verstehen und anwenden. Eher das Formulieren von Fragen, die sich in automatischen Tests gut abdecken lassen, empfand ich teilweise als herausfordernd. Auch das Finden passgenauer Lernmaterialien kostet Zeit. Damit die Moodle Seite nicht zu unübersichtlich wird, bietet es sich zudem an die Lernstandskontrolle zum aktuellen Lehrinhalt in einem anderen Format durchzuführen. Einmal aufgebaut lassen sich Tests und Ressourcen innerhalb von Moodle von Semester zu Semester sehr einfach dank der Exportfunktion übernehmen. Damit kann ich mich im nächsten Jahr auf andere Aspekte konzentrieren. Je nach dem Kursangebot lassen sich auch Synergieffekte zwischen Kursen nutzen, etwa wenn ich Materialien aus meinem eigenen Kurs als Wiederholung in einem anderen Kurs nutzen kann. Der größter Pluspunkt bleibt aus meiner Sicht aber, dass die Veranstaltungsinhalte ohne größere Wiederholungsblöcke schlank gehalten werden können und von den Studierenden niemand mehr „hinten runter fällt“, weil Vorwissen fehlt.

Unser Gastautor:

Dr. Thomas Heinze, Angewandte Geologie, Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik an der RUB