Viele Lehrende und Studierende mussten im vergangenen Sommersemester notgedrungen auf reine Online-Lehre umsteigen und haben auf diese Weise Möglichkeiten und Herausforderungen des digitalbasierten Lehrens und Lernens kennengelernt. Auch im kommenden Semester werden bei uns an der Ruhr-Universität Bochum viele reine Distance Learning-Veranstaltungen angeboten – eine gute Gelegenheit also, um an Schwierigkeiten, die in der Lehre des Sommersemesters aufgefallen sind, zu arbeiten.

Aber welche Herausforderungen waren es besonders, die die Online-Lehre mit sich brachte? Dies kann beispielsweise das Wegfallen des gemeinsamen Arbeitens sein oder der fehlende Austausch in Seminaren und Diskussionsrunden. Präsenzfreie Lehre kann auf diese Weise schnell zum eintönigen Selbststudium werden, ohne Kontakt unter den Lernenden. Um dies zu vermeiden, kann das kollaborative Arbeiten in digitale Lehrszenarien mit Hilfe bestimmter Tools und Methoden integriert werden.

Was ist kollaboratives Arbeiten?

„Kollaboration […] bezeichnet die gemeinsame Bearbeitung einer Aufgabe innerhalb einer Gruppe. Durch das interaktive Teilen und Diskutieren von individuellem Wissen wird ein gemeinsames Verständnis des Problems und seiner Lösung konstruiert und die Generierung von gänzlich neuem kollektiven Wissen gefördert. Die Problembearbeitung findet sequenziell, also nacheinander und zur Optimierung des Lösungsansatzes wiederholt […] statt.“ (Julia Gackstetter 2015 für innosabi)

Beim kollaborativen Arbeiten in der Online-Lehre oder in der Lehre mit E-Learning-Anteilen arbeiten die Lernenden zwar eigenständig für sich, erhalten aber auch die Möglichkeit, sich durch gezielt eingesetzte digitale Werkzeuge und Methoden mit Kommiliton*innen auszutauschen oder an Texten, Präsentationen, etc. gemeinsam zu arbeiten. Es reicht von kleinen, synchronen Austauschrunden im Rahmen einer Webkonferenz oder dem kurzen, asynchronen Kommentieren des Beitrags einer Kommilitonin im Kursforum bis hin zu größeren Projekten, z. B. im Rahmen des Forschenden Lernens.

Mithilfe von Moodle kann kollaboratives Arbeiten angeleitet und gestaltet werden, denn die Plattform stellt dazu vielfältige Tools zur Verfügung.

Auch der Aspekt der Nachhaltigkeit kommt dabei nicht zu kurz, denn Schreib-, Lern- und Forschungsprodukte der Studierenden können mit wenig Aufwand auch für Veranstaltungen in den kommenden Semestern genutzt bzw. weiterentwickelt oder sogar der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Einige Ideen zu Umsetzungs- und Einsatzmöglichkeiten kollaborativer Methoden und Tools

Einen Text gemeinsam schreiben

Auch im virtuellen Raum können Studierende gemeinsam an einem Text arbeiten oder einen Text gemeinschaftlich produzieren. In Moodle gibt es hierfür die Tools Wiki und Etherpad, die das ermöglichen. Im Etherpad kann gleichzeitig an einem Text gearbeitet werden. Parallel kann ein integrierter Chat genutzt werden, um z. B. das weitere Vorgehen abzustimmen. Das Etherpad eignet sich vor allem für kleinere Texte. Weitere Informationen zur kollaborativen Zusammenarbeit mit Etherpad finden Sie in unserem Blogbeitrag.

Ein Wiki kann wesentlich komplexer strukturiert werden und eignet sich deshalb für größere Projekte. Es kann sinnvoll sein, dass Sie die Studierenden dabei unterstützen, eine Struktur zu erarbeiten, oder eine Grundstruktur vorgeben. In einem Wiki kann zu einem gegebenen Zeitpunkt jeweils nur eine Person an einer Unterseite schreiben; eine spätere Überarbeitung durch andere ist möglich. In beiden Tools werden alle Versionen gespeichert, so dass es möglich ist, Änderungen rückgängig zu machen oder sich den gesamten Arbeitsprozess anzusehen.

Sich über Lehrinhalte austauschen

In der Präsenzlehre leiten viele Lehrende kurze Austauschrunden in Kleingruppen zwischen den Studierenden an, z. B. um sich über Gelesenes austauschen, verschiedene Positionen kontrovers zu diskutieren oder Erfahrungen zu teilen. Die Studierenden können so in einem kleineren Rahmen und ohne Bewertungsangst aktiv werden, lernen, Wissen auszuhandeln u.v.m.

Diese Möglichkeit geben Sie Ihren Studierenden auch in der online-gestützten Lehre durch unterschiedliche Tools in Moodle. Beispielsweise durch das Einrichten von Gruppen, die sich dann asynchron in einem eigenen Moodle-Forum austauschen, oder synchron im Rahmen von Webkonferenzen, z. B. in Zoom durch Gruppenräume (breakout rooms) oder in der Chatfunktion des Etherpads.

Sieben Tipps zum Umgang mit Herausforderungen beim kollaborativen Arbeiten

Da für kollaboratives Arbeiten immer ein gewisser Koordinationsaufwand in den Gruppen notwendig ist, gilt bei der digitalen Umsetzung umso mehr: Keep it simple! Auch Ihre Studierenden müssen sich in neue Tools erst einarbeiten, haben vielleicht nicht immer eine stabile Internetverbindung oder andere Schwierigkeiten, die das kollaborative Arbeiten erschweren.

Überlegen Sie sich, durch welche Aufgaben Ihre Studierenden wirklich zum gemeinsamen Arbeiten angeregt werden und spürbar davon profitieren können. Für den Lerneffekt ist es wichtig, dass unterschiedliche Perspektiven zusammengetragen und integriert werden und nicht bloß fertige Puzzleteile zusammengesetzt werden. Dies kann z. B. geschehen, wenn sich Studierende über individuelle Erfahrungen austauschen oder sich einzelne in einer Lerngruppe mit unterschiedlichen Perspektiven auf ein Thema auseinandersetzen und diese dann für das gemeinsame Ergebnis miteinander verbinden. Damit die Studierenden nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten, sollten Sie regelmäßig gemeinsamen Austausch oder Formen des Peer-Feedback anleiten.

Durch fehlende Präsenz ist die Abstimmung innerhalb von Gruppen oder Tandems noch schwieriger, als es ohnehin face-to-face ist. Überlegen Sie sich deshalb, wie Sie Ihre Gruppen unterstützen können (z. B. durch Anleitungen wie „Legen Sie in Online-Treffen fest, wer moderiert und wer protokolliert.“) und strukturieren Sie komplexere Aufgaben sinnvoll.

Mit den Moodle-Tools „Gruppenwahl“ oder „Gerechte Verteilung“ können sich Teilnehmende eine Gruppe auswählen oder Sie teilen die Studierenden selbst in Gruppen ein. In den so eingestellten Gruppenbereichen können Sie den Studierenden die Möglichkeit geben, sich getrennt von den anderen Gruppen auszutauschen oder etwas zu erarbeiten. Für Gruppenarbeiten im Rahmen von Online-Seminaren, z. B. in Zoom etc., können Sie Gruppenräume einrichten, für die Sie die Studierenden entweder selbst zusammenstellen oder nach dem Zufallsprinzip auslosen lassen.

Studierende erleben kollaboratives Arbeiten häufig nicht als hilfreich, sondern als überflüssigen Aufwand. Dies kann geschehen, wenn Studierende sich auf das Ergebnis dieser Aufgaben (z. B. ein gemeinsamer Text) fokussieren oder wenn sie die Aufgaben einfach untereinander aufteilen und so gar keinen produktiven Austausch erleben. Dann nehmen sie den Lerneffekt, den diese Form des Arbeitens hat, gar nicht wahr. Dem können Sie entgegenwirken, indem Sie deutlich machen, dass es Ihnen nicht nur um das Produkt eines Arbeitsauftrags geht, sondern auch darum, dass die Studierenden gerade aus den Reibungen und Aushandlungen durch das kollaborative Arbeiten etwas lernen, das sie bei individuellen Aufgaben nicht lernen können. So können Sie z. B. zusätzlich zum Arbeitsergebnis eine Dokumentation des Arbeitsprozesses oder eine individuelle Reflexion der Schwierigkeiten und Lernerlebnisse anfertigen lassen.

Wenn bei der Bearbeitung gemeinsamer Projekte Moodle-Tools genutzt werden, sind alle Beteiligten immer auf demselben Stand; sie können von den Ergebnissen der anderen profitieren, sie kommentieren, sich austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Als Lehrende können Sie die Lernenden in ihrem Arbeitsprozess begleiten, indem Sie ihnen abgestimmt auf den Bearbeitungsfortschritt inhaltliche Hilfestellungen (z. B. Literaturhinweise) oder Unterstützungsangebote beim Schreiben (z. B. zur Entwicklung einer Forschungsfrage, zum Umgang mit Forschungstexten) zur Verfügung stellen. Zusätzlich zu den Gruppentools in Moodle können Sie mit dem Journal, das neben dem Verfasser nur Sie einsehen können, in einen individuellen Austausch mit den Studierenden treten. Beispielsweise können Studierende im (Lern-)Journal regelmäßig ihren aktuellen Stand (Fortschritte, Probleme etc.) beschreiben und Sie können direkt darauf reagieren, wenn Ihnen das sinnvoll erscheint.

Geben Sie bei Gruppenarbeiten vor, mit welchen Tools bzw. in welchem Medium oder Format die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit gesichert werden sollen (z. B. Text, Podcast/Audiodatei, Grafik, Tabelle, PowerPoint-Präsentation). Idealerweise sind die Ergebnisse später für alle Teilnehmenden sichtbar und ggf. kommentier- und ergänzbar. Moodle bietet mit Ausnahme des Wikis kaum Möglichkeiten, formatierte Produkte (z.B. Word-Dokumente, Excel-Tabellen, PowerPoint-Präsentationen) zu bearbeiten; Sie können aber auf Sciebo verlinken; dort können Ihre Studierenden gemeinsam das Produkt erstellen. Auch bei kleinen, synchronen Gruppenarbeiten ist es sinnvoll, ein Produkt zu definieren, um so die Arbeitsergebnisse im weiteren Verlauf einbeziehen zu können – dies können auch nur drei Stichworte zu der Gruppendiskussion im Chat einer Videokonferenz sein.

Wir wünschen Ihnen viel Freude und Erfolg beim Einsatz kollaborativer Tools in Ihre Lehre. Bei Fragen und Unterstützungsbedarf können Sie sich gerne an uns wenden: rubel@rub.de