KI-Analogie zur Erschaffung Adams von Michelangelos berühmten Fresko

Wir schreiben das Jahr 2805: Die Erde ist aufgrund der immensen Umweltverschmutzung längst unbewohnbar, die Menschen haben sie bereits vor langer Zeit vollständig verlassen. Nur ein kleiner Roboter, der auf den Namen WALL-E hört, hält seit Jahrhunderten die Stellung und räumt unermüdlich auf. Das Besondere: Mit der Zeit hat er ein eigenes Bewusstsein entwickelt, kann sein erworbenes Wissen auch auf andere Bereiche übertragen – und ist sogar in der Lage, sich zu verlieben. Nach den Autor:innen des Whitepapers „KI in der Hochschulbildung“ (2020) wäre WALL-E aus dem gleichnamigen Disney-Film von 2008 eine sog. starke Künstliche Intelligenz (KI). Diese Art der KI ist zwar beliebter Stoff der Populärkultur, derzeit aber reine Fiktion. Und das wird sie wohl auch bleiben, denn in der Wissenschaft ist es umstritten, ob es sie jemals geben könnte.

Anders sieht es mit der sog. schwachen KI aus. Das sind Systeme, die für bestimmte Aufgaben konzipiert und dazu häufig mit Daten trainiert werden. Diese Systeme sind längst nicht mehr nur Science-Fiction, sondern technische Realität: Künstliche Intelligenz entscheidet über Zugverbindungen, überwacht Medikationen in Krankenhäusern und hilft uns beim Übersetzen von Fremdsprachen.

KI und Learning Analytics in der Hochschulbildung

Im Bereich der Hochschulbildung sind KI-gestützte Lerndatenanalysen, sog. Learning Analytics, eines der aktuellen Themen. Das Ziel: Mithilfe von gesammelten Studierendendaten sollen Lehr- und Lernprozesse unterstützt werden. Aufgrund von diversen Herausforderungen kommen solche Learning Analytics-Systeme an den deutschen Hochschulen in der Breite noch nicht zum Einsatz. Durch die Erfahrungen, die im vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft geförderten Projekt „KI:edu.nrw – Didaktik, Ethik und Technik von Learning Analytics in der Hochschulbildung” gemacht werden, könnte sich dies ändern.

KI:edu.nrw: im Dialog zum Ziel

Bis Ende 2023 erarbeitet eine interdisziplinäre Projektgruppe sowohl an der RUB als auch an der partnerschaftlich eingebundenen RWTH Aachen Regeln, Konzepte, Prozesse und Technik für den Einsatz von KI-gestützten Lerndatenanalysen in der Hochschulbildung. Geleitet wird das Projekt von Dr. Peter Salden, Leiter des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik der RUB.

Die Projektbeteiligten von „KI.edu.nrw“ möchten konkrete Rahmenbedingungen für einen sinnvollen und verantwortungsvollen Einsatz dieser Technologie schaffen. Dies soll unter Einbezug aller für die Lehre wichtigen Akteurinnen und Akteuren gelingen. Daher verfolgt das Projekt den Ansatz, in der RUB einen Dialog mit allen Beteiligten über Wünsche, Erwartungen und mögliche Bedenken oder Herausforderungen zu führen und daraus eine Learning Analytics-Policy für die RUB zu formen.

Mehr zu diesem Thema

Lehrende und Studierende bewerten Learning Analytics eher positiv

Anfang 2022 wurden die ersten Befragungen mit 371 Lehrenden und 1.274 Studierenden der RUB geführt. Die Teilnehmenden wurden zu ihren Wünschen und Vorstellungen hinsichtlich Learning Analytics befragt. Auch mögliche Chancen und Herausforderungen, die der Einsatz von Lerndatenanalysen potenziell mit sich bringen kann, waren Teil der Befragung.

Als erstes Zwischenergebnis lässt sich für die RUB festhalten, dass Learning Analytics sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden grundsätzlich eher positiv gewertet werden. Studierende sehen vor allem im Überblick des eigenen Lernfortschritts, in der Verbesserung und Kontrolle der eigenen Lernaktivitäten sowie in einer möglichen Motivationsförderung in Bezug auf das Lernen klare Vorteile. Die Lehrenden betonen vor allem die Chance, mehr Feedback zum Lernstand der Studierenden zu erhalten und so die Lehrqualität zu verbessern. Auch eine stärkere Studierendenorientierung sehen sie als Potenzial.

Im Rahmen der Befragungen haben die Beteiligten auch über Bedenken im Zusammenhang mit einem möglichen Einsatz von Learning Analytics gesprochen: Die Studierenden befürchten einen erhöhten Leistungsdruck, wenn sie stets mit ihrem aktuellen Lernstand konfrontiert sind. Außerdem haben sie den Datenschutz als wichtige Voraussetzung für solche Systeme genannt. Lehrende haben vor allem Bedenken, dass die Auswertung der Lerndaten ihrer Studierenden eine zusätzliche zeitliche Belastung bedeutet. Auch die Voraussetzung von Data Literacy-Kompetenzen bei Studierenden und Lehrenden sowie der reflektierte Umgang mit den Analyseergebnissen haben die Lehrenden hervorgehoben.

Bei dem eben umrissenen Meinungsbild handelt es sich um einen ersten Ausschnitt der Ergebnisse. Im Anschluss an die komplette Auswertung wird mit den Gesamtergebnissen strukturiert weitergearbeitet. So arbeiten im Projekt bspw. Personen aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammen, um den Sorgen, die sich in den Befragungen herauskristallisiert haben, und der Erarbeitung möglicher Lösungen den nötigen Raum zu geben. Eigene Teilprojekte sind für die ethische und datenschutzrechtliche Begleitung im Rahmen der Erprobung von Learning Analytics-Lösungen zuständig. Ziel ist es, Potenziale und Gefahren auszuloten und zwecks der Verbesserung der Lehre an der RUB abzuwägen.

Jetzt mitmachen und künftige Lehrentwicklungen mitgestalten!

“Um das Meinungsbild von KI-gestützten Learning Analytics an der RUB feststellen und alle Bedenken und Wünsche der RUB-Angehörigen in einer Richtlinie berücksichtigen zu können, sind wir auf den Austausch mit weiteren Personen angewiesen. Daher finden Anfang des Wintersemesters 2022/23 weitere Befragungen und Gespräche mit Lehrenden, Studierenden und lehrbezogenen Gremien der RUB statt”

Jonas Leschke, Projektkoordinator von „KI:edu.nrw“

Konkret sucht das Projekt aktuell noch Studierende und Lehrende für Fokusgruppengespräche aus den Fächergruppen. Wer an den Gesprächen teilnehmen möchte, kann sich einfach per Mail bei Jonas Leschke (Jonas.Leschke@rub.de) unter Nennung der folgenden Punkte melden: Name, Statusgruppe (Prof., Postdoc, WiMi, Studierende:r etc.), Fakultät/Studiengang und ggf. Gremienmitgliedschaft.

„Ich halte die Beteiligung am Meinungsbildungsprozess auch über das Projekt hinaus für eine wichtige Möglichkeit für Studierende und Lehrende, künftige Lehrentwicklungen mitgestalten zu können“, so Leschke.


Tipp der Redaktion
Am 30.08.2022 findet der Konferenztag Learning AID statt. Ausgehend von „KI:edu.nrw“ stehen hier Fragen zum praktischen Einsatz von Learning Analytics im Zentrum. Weitere Infos und die Anmeldemodalitäten gibt es hier: learning-aid.blogs.ruhr-uni-bochum.de