Ergebnisse einer Studierendenbefragung und Ideen für die Gestaltung von kooperativem Lernen in der Online-Lehre
In diesem Beitrag berichten wir über die ersten Ergebnisse einer am Ende des SoSe 2020 durchgeführten Befragung unter Studierenden zu ihren Erfahrungen mit Online-Kleingruppenarbeit. Im Zuge der Auswertung haben wir fünf Interaktions-Situationen identifiziert, die besonders häufig in Online-Kleingruppen auftreten und bei Studierenden große Frustration erzeugen. Diese Situationen möchten wir Ihnen zusammen mit Gestaltungsideen für die (Online-)Lehre vorstellen.
Das Potenzial von kooperativem Lernen erwächst aus der lernförderlichen Interaktion zwischen den Mitgliedern einer Gruppe. Beispielsweise, wenn sich Lernende gegenseitig Inhalte erklären, verschiedene Perspektiven zu einem Thema diskutieren oder auf Basis verteilter Expertise neue Schlussfolgerungen ziehen. Diese günstigen Interaktionen treten in der Regel nicht einfach auf, weil Studierende einer Gruppe zugeteilt wurden und eine Aufgabe gemeinsam lösen sollen. Wie für alle Lehr-Lern-Settings ist auch hier didaktische Planung notwendig.
Herausforderungen bei Online-Gruppenarbeit
Darüber hinaus gibt es während einer (Online-)Gruppenarbeit Interaktionen, die nicht nur den Lern- oder Problemlöseerfolg verringern, sondern die für die Lernenden zudem frustrierend sein können. Frustration oder Unzufriedenheit verringern die Motivation der Lernenden, sich aktiv an der Interaktion zu beteiligen und beeinflussen somit letztendlich das Lernen der Studierenden.
Online-Befragung von Studierenden zu Online-Kleingruppenarbeit
Um Lehr-Lern-Situationen entsprechend gestalten zu können und Lernenden gezielt Unterstützung zukommen zu lassen, ist es wichtig, mehr über solche potentiell frustrierenden Interaktionsmuster, bzw. Interaktions-Situationen zu erfahren. Mithilfe einer Literaturrecherche haben wir insgesamt 14 Situationen identifiziert, die in Online-Zusammenarbeit auftreten und sich negativ auf die Zufriedenheit der Lernenden hinsichtlich der Kooperation auswirken können. Um zu erfahren, welche dieser Situationen für die Online-Lehre besonders relevant sind, haben wir RUB-Studierende am Ende des ‚virtuellen Semesters‘ (SoSe 2020) über einen Online-Fragebogen nach ihren Erfahrungen mit diesen Situationen befragt.
Insgesamt füllten 100 Studierende aus verschiedenen Studiengängen und Fachsemestern den Fragebogen aus. Die Studierenden gaben an, dass sie in etwa der Hälfte (52.3%) ihrer Kurse an Online-Gruppenarbeit teilgenommen haben. Über das Semester hinweg arbeiteten die Studierenden in durchschnittlich sechs Gruppen von je vier Studierenden. In jeder Gruppe arbeiteten die Studierenden durchschnittlich für ca. drei Wochen.
Für jede der 14 Interaktionssituationen erfasste der Fragebogen, ob die Studierenden diese Situation in einer ihrer Online-Gruppen erlebt haben, wie häufig die Situation dort auftrat und wie frustrierend dies war. Sortiert man die Situationen jeweils nach diesen Variablen, zeigt sich, dass häufige Situationen nicht unbedingt auch als besonders frustrierend wahrgenommen werden und umgekehrt. Beispielsweise wurde unhöfliche Kommunikation in der Gruppe zwar am frustrierendsten wahrgenommen, allerdings berichtete nur weniger als jede*r fünfte Person, dies in einer Gruppe erlebt zu haben. Da für Lehrende vor allem diejenigen Situationen interessant sind, die in vielen Gruppen auftreten, dort häufig auftreten und beim Auftreten besonders frustrierend sind, haben wir die Situationen jeweils nach diesen Eigenschaften aufgelistet und anschließend miteinander kombiniert.
Um die Situationen zu identifizieren, die sowohl häufig auftraten, als auch besonders frustrierend für die Studierenden waren, wurde eine Rangsumme gebildet. Dafür wurden die Situationen separat nach Häufigkeit und nach berichteter Unzufriedenheit aufgelistet. Es entstanden also zwei Listen, in denen die Situationen in unterschiedlicher Reihenfolge aufgeführt wurden.
Gestaltungsideen für Online-Kleingruppenarbeit: Aufgabengestaltung & Unterstützung der Gruppen
Fazit
Kooperatives Lernen ist nur eine von vielen Lehrformen und nicht immer ist es ratsam, Studierende in Gruppen lernen und arbeiten zu lassen. Jedoch bietet kooperatives Lernen viele Potentiale für den Erwerb von Verständniswissen und Kooperationskompetenz. Als Lehrende können wir einerseits auf Ebene der Aufgabengestaltung ansetzen, um unseren Studierenden die Gelegenheiten zu geben, produktiv zu kooperieren und lernen zu können. Andererseits sollten wir die Lernenden auch dabei unterstützen, Kooperationskompetenz aufzubauen. Kooperatives Lernen bietet hierfür einen geschützten Raum, allerdings ist wie auch bei der Vermittlung fachlicher Inhalte pädagogische Unterstützung notwendig.
Wir hoffen, dass Sie das Wissen über diese fünf besonders herausfordernden Situationen für Online-Kleingruppen und die aufgeführten Vorschläge für Ihre Lehre nutzen können. Einen ausführlicheren, aber kompakten Überblick zur Wirksamkeit von kooperativem Lernen in Online-Settings, sowie Anregungen zur Gestaltung und Unterstützung in der Online-Lehre finden Sie in diesem Journalartikel. Dieser erschien zusammen mit anderen Artikeln zur evidenzbasierten und pragmatischen Umstellung auf Online-Lehre in verschiedenen Bildungskontexten (wie z.B. der Hochschule) in einer Sonderausgabe des Fachjournals Information and Learning Science. Die insgesamt 42 Artikel sind noch bis Frühjahr 2021 an dieser Stelle im Open Access verfügbar.
Über unseren Gastautor
Sebastian Strauß ist Doktorand am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie (Prof. Dr. Nikol Rummel) und forscht zu computerunterstütztem kooperativen Lernen (CSCL).
** Link zur Übersicht zu aktuellen Forschungsprojekten des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie: https://ife.rub.de/pp/projects
Hinterlassen Sie einen Kommentar
Sie müssen angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.