Vom 12. bis zum 13. September 2019 fand an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) die Tagung des Projekts nexus der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Kooperation mit der TUK zum Thema „Digitaler Wandel in Studium und Lehre“ statt (Twitterhashtag: #projekt_nexus).

Mittels einer virtuellen Schnitzeljagd mit der App Actionbound über den Campus fanden die Teilnehmenden sich spontan zu Gruppen zusammen und tauschten sich zum digitalen Wandel an den Hochschulen aus.

Bei der Eröffnung sprach Prof. Dr. Gross (HRK-Vizepräsidentin für Digitalisierung und wissenschaftliche Weiterbildung) das Grußwort. Sie betonte, dass Netzwerke auch in Hochschulen benötigt werden, um den Herausforderungen des digitalen Wandels gemeinsam zu begegnen. Dr. Löhrke (Vizepräsident für Studium und Lehre der Technischen Universität Kaiserslautern) führte in die Tagungsthemen ein.

Im Impulsvortrag von Prof. Dr. Ruf (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) wurde mit einem Zitat von Claus Pias (Pias ist Professor für Medientheorie und Mediengeschichte an der Leuphana Universität Lüneburg) begonnen, der das Motiv Digitalisierung in einer Wiederholungsschleife sieht – seit 50 Jahren. (Artikel unter: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/hoch-schule/fortschritt-der-moderne-die-digitalisierung-gibt-es-nicht-16308732.html).

Jacques Derrida entwarf beim Vortrag „Die Zukunft der Universität” auf Einladung von Jürgen Habermas im Jahre 2000 in Frankfurt, die Idee einer bedingungslosen, unbedingten Universität, die zugleich eine mögliche Orientierung für die Geisteswissenschaften insgesamt reflektiert und einschließt. Er forderte, dass die moderne Universität eine „unbedingte“, eine Universität, die „bedingungslos, von jeder einschränkenden Bedingung frei sein sollte“ (Derrida, Jacques: Die unbedingte Universität, Frankfurt am Main: 2001, Suhrkamp, S. 9). Prof. Ruf bezog sich in seinem Vortrag auf den Aspekt des Bewahrens und Verwandelns der Lehre durch die Verhandlung von Beziehungen. So soll etwa nach Derrida unter Bewahrung der Tradition der Begriff der Humanities neu gedacht, definiert und erweitert werden.

Prof. Burkova (Vizepräsidentin für Digitalisierung der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg) stellte nach einer Kaffeepause aus Leitungsperspektive die Entstehung der Digitalisierungsstrategie ihrer Hochschule dar. Sie stellte dabei heraus, dass Digitalisierung von Studium und Lehre mehr sei als E-Learning.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Prof. Gross, dass der digitale Wandel mehr Ressourcen benötigen wird. Ein weiterer Aspekt der diskutiert wurde war die Frage „Was nützt eine Strategie, wenn es keine Verpflichtung für didaktische Qualifizierung gibt?“ Laut Dr. Löhrke müsse auf intrinsische Motivation gesetzt werden, da die Freiheit von Forschung und Lehre die Verpflichtungsmöglichkeiten einschränke. Aus studentischer Perspektive wurde sich gewünscht, dass nicht nur Lehrende, sondern auch Studierende qualifiziert werden sollten digitale Angebote zu nutzen (L. Ackermann, freier Zusammenschluss von Stduent*innenschaften). Der Vorstandsvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz erläuterte, dass der digitale Wandel Fragen zum Datenschutz, aber auch dem Schutz der Arbeitnehmer*innen (K-P. Hammer) aufwerfe.

Am frühen Abend begannen die parallelen Diskussionsforen. In der Session zu Künstlicher Intelligenz in der Lehre beschrieb Prof. Dr. Prof. H.C. Dengel  Möglichkeiten für ein antizipierendes Schulbuch der Physik. Das Projelkt „HyperMind“, gefördert vom BMBF (2016-2019) versucht ein Schulbuch zu entwickeln, dass adaptiv ist. Dieses interaktive Schulbuch soll die Ansprüche des individuellen Lernens (angepasst an die individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse der Lernenden) besser erfüllen als bisherige Schulbücher. Zentrale Forschungsfragen sind hierbei:

  • Gibt es unterschiedliche Präferenzen zur Verwendung fachspezifischer Repräsentationsformen?
  • Sind die Präferenzen abhängig vom Expertise-Level der Lernenden?
  • Lassen sich die Repräsentationsform bezogenen Präferenzen der Lernenden durch Eyetracking-Verfahren valide und zuverlässig detektieren?

Hierfür wurde ein Labor eingerichtet. In ersten Pilottests wurden verschiedenste Sensordaten gemessen (z. B. Expert*innen lösten Probleme und wurden durch eyeTracking dabei aufgenommen), analysiert und hinsichtlich des Problem­löse­prozesses interpretiert (Eye-Tracker (→ Blickposition), Sensorstift (→ Repräsentationserkennung), Smartwatches (→ Puls), HMD (→ Instruktionen)). Sogar Handschriftenerkennung ist mittels Wacomtechnologie bereits möglich.

Als nächstes stellte Prof. Dr. Britsch (Universität Ulm ) das Projekt „mymi.mobile“ vor. Mittels höchstauflösender, virtueller mikroskopierbarer und vollständig annotierter histologischer Präparate können Studierende mikroskopisch-anatomische Inhalte webbasiert erlernen. Visual Tracking soll dabei der Förderung visueller Kompetenz mittels quantitativer Analyse des Beobachtungsprozesses dienen. Das Team erhofft sich auf Basis von erhobenen Daten individualisierte Empfehlungen für Lernende aussprechen zu können. Die künstliche lntelligenz (KI) setzt da an, wo Fehler gemacht wurden. Mittels sogenannten Keytopics werden Studierende in gesteigerter Komplexität damit konfrontiert. Zusätzlich ist ein studentisches E-Tutoring-System im Einsatz.

Bei der Fragerunde wurde diskutiert, wie mit einem KI-Projekt begonnen werden könne. Wichtig sei hierbei die Strukturierung der Inhalte zum Start und große Studierendenzahlen für den Feedbackprozess helfen ebenfalls ein Angebot zu entwickeln.

Der Tag klang bei einem gemeinsamen Abendessen aus.

Am zweiten Tag fanden erneut parallele Diskussionsforen statt. Bei der Session „Gamification in Studium und Lehre: Aus Fächerperspektive“ wurde auf das Projekt „Bildungsrouten multimedial – Geographiestudierende erstellen eine themengebundene Schnitzeljagd mit der App Actionbound“ eingegangen. Eine Studentin stellte eine multimediale Erlebnistour („Bound” genannt) vor, bei der Tiere und ihre Extremräume mittels Actionbound in der 5. Klasse beim Ausflug in den Zoo vermittelt werden. Hierzu wurde eine themengebunde Exkursion mit Geometern erstellt und im Zoo Neuwied durchgeführt.

Ein zweites Beispiel war eine digitale Geschichts-Tour zur deutsch-amerikanischen Geschichte Kaiserslauterns. Der Rundgang hilft versteckte Informationen zu zentralen Orten sichtbar zu machen, (z. B. das ehemalige Amerika-Haus) die heutzutage nicht mehr existieren. Ein drittes Beispiel war ein Bound für einen Radweg durch die Jahrhunderte in der Vorderpfalz mit 11 historischen Stationen.

In der Fragerunde wurden Lizenzmodelle von Actionbound besprochen. In NRW kann BIPARCOURS  an Schulen kostenlos eingesetzt werden. Erfreulich ist, dass es nun eine Scorm-Schnittstelle von Actionbound gibt, mit der der Erfolg auf den Routen von Learn-Management-Systemen, wie etwa Moodle, nachverfolgt werden kann.

Im letzten Diskussionsforum besuchte ich den Workshop „Kompetenzen für die digitale Zukunft“. Dr. Heidrich (Fraunhofer IESE) stellte die Studie „Future Skills: Ansätze zur Vermittlung von Data Literacy in der Hochschulbildung“ vor. Im Auftrag der Arbeitsgruppe Curriculum 4.0 des Hochschulforums Digitalisierung führten das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software-Engineering IESE und die Gesellschaft für Informatik eine Studie durch, um umsetzbares Wissen für Hochschulen und Fächer für die Curriculumsentwicklung im Hinblick auf Data Literacy zusammenzustellen. Das Hauptproblem erklärte Dr. Heidrich, bestünde zunächst in der Überlappung von „Data Literacy” zu ähnlichen Begriffen, wie etwa „Data Science“. Dr. Heidrich stellte bei seinem Vortrag heraus, dass die Anforderungen für Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Wissenschaft bei der Kompetenzvermittlung mitberücksichtigt werden sollten. Faktoren des Erfolgs und Misserfolgs der curricularen Implementierung sind Strukturen und Kollaborationen, Kompetenzen und Integration und Kompetenzvermittlung.

Herr Bandtel erläuterte das Vorgehen des vom Stifterverband geförderten Mannheimer-Modells „modal“ zu Data Literacy. An der Hochschule Mannheim werden Studierende aller Fachrichtungen auf die Transformationen des Arbeitsmarktes und komplexer werdenden gesellschaftlichen Herausforderungen im digitalen Zeitalter vorbereitet indem die Akademiker*innen befähigt werden den technologischen und gesellschaftlichen Wandel selbst aktiv mitzugestalten. „modal“ verfolgt das Ziel, die Entwicklung von Datenkompetenzen für Studierende aller Fächer zu fördern sowie eine bedarfsgerechte Vertiefung zu ermöglichen. Maßnahmen sind auf die Phasen des Studiums abgestimmt: von Studienbeginn an mit „unimodal1“, über “bimodal2” bis zu „trimodal3“. Bei erfolgreicher Teilnahme erhalten die Studierenden ein Zertifikat.

Die Tagung bot Interessierten einen Überblick darüber, welche Aspekte des digitalen Wandels in Studium und Lehre bereits an anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen bearbeitet werden und welche Projekte bereits durchgeführt werden. Zusätzlich konnten die Akteur*innen Best Practices und Herausforderungen austauschen.

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