Werke in der Lehre zu verwenden erscheint manchmal nicht so einfach und sorgt für rechtliche Unsicherheiten, da ein Werk, das eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht, mit seiner Entstehung zunächst einmal urheberrechtlich geschützt ist. Es darf demnach nicht einfach verwendet, verändert oder veröffentlicht werden, denn Urheber:innen bestimmen in diesem Rahmen, wem Sie ein Nutzungsrecht einräumen. Doch dieser Schutz ist nicht von Dauer: 70 Jahre nach Tod eines Urhebers oder einer Urheberin gehen Werke i. d. R. in die Allgemeinheit über – sie werden gemeinfrei. Der Stichtag dafür ist jedes Jahr der 1. Januar. Dies bedeutet nicht nur, dass dann kein Anspruch auf die Urheberrechte mehr gestellt werden kann, sondern auch, dass ab diesem Zeitpunkt die Werke (kosten-)frei genutzt, geteilt und verändert werden dürfen.

Und was bedeutet das konkret für die Lehre?

Der Klassiker: Literatur im Moodle-Kurs

Im Rahmen einer Veranstaltung dürfen Teilnehmenden entsprechend dem Urhebergesetz in einem passwortgeschützten Moodle-Kurs geschützte Werke in einem Umfang von bis zu 15% zur Verfügung gestellt werden. Ausnahmen bilden u. a. Abbildungen und Werke geringen Umfangs wie z. B. Filme mit einer Länge von bis zu 5 Minuten, die im Rahmen der Lehre komplett genutzt werden dürfen.

Ein Beispiel: Lehrende D. möchte ihren Studierenden einschlägige Literatur im Moodle-Kurs zum Thema x zur Verfügung stellen. Darunter auch ein Kapitel einer Monografie mit 25 Seiten. Das Werk hat insgesamt 100 Seiten. Das Problem: Sie darf den Studierenden lediglich 15 Seiten zur Verfügung stellen, da sie sonst gegen das Urheberrecht verstößt.

Die Alternative: Frei lizenzierte und/oder gemeinfreie Werke! Bei gemeinfreien Werken entfallen Einschränkungen vollständig. Für Lehrende bedeutet dies zum Beispiel, dass sie ihren Studierenden ganze Bücher, Kunstwerke oder Videos in und außerhalb von geschlossenen Moodle-Kursen zur Verfügung stellen dürfen.

Achtung: Ausnahmen bestätigen die Regeln!

In Hinblick auf Übersetzungen oder kommentierte Versionen von Werken muss allerdings aufgepasst werden, denn mit der Übersetzung und Kommentierung liegt i. d. R. eine schöpferische Leistung vor, die einen Urheberschutz begründet. Die Gemeinfreiheit gilt also nur für das ursprüngliche Werk in Originalsprache. Außerdem gilt sie nur für Werke einer Urheberin oder eines Urhebers. Bei Werken, an denen mehrere Urheber:innen beteiligt waren, richtet sich der Ablauf der Schutzfrist nach dem Todesjahr der letzten Urheberin bzw. des letzten Urhebers.

Doch so, wie es diese Einschränkungen gibt, ermöglichen auch Ausnahmen weitere Freiheiten:  Dies ist der Fall bei Werken, die von Anfang an nicht urheberrechtlich geschützt sind.  Darunter fallen z. B. Gesetzte und Verordnungen.

Gemeinfrei 2022: Von philosophischen Werken, Filmen und Illustrationen

Der bedeutende Philosoph Ludwig Wittgenstein ist im April 1951 verstorben. Damit stehen seine Philosophischen Untersuchungen oder die Logisch-Philosophische Abhandlung seit dem 01.01.2022 der Allgemeinheit zur Verfügung. Ebenso steht es beispielsweise um die Dokumentationsfilme der Reisen des Robert J. Flaherty oder die Werke der japanischen Schriftstellerin Fumiko Hayashi. Auch der Tod der Literaturnobelpreisträger André Gide und Sinclair Lewis liegt 70 Jahre zurück. Ein bekannter Name ist außerdem Walter Trier, der zum Beispiel die Kinderbücher von Erich Kästner illustrierte. Seine Illustrationen dürfen nun ebenfalls genutzt werden.

Im nächsten Jahr gehen übrigens unter anderem die Werke des US-amerikanischen Philosophen John Dewey oder der Pädagogin Maria Montessori, der Begründerin der Montessoripädagogik, in die Gemeinfreiheit über.

Tipp: Auf Wikipedia ist zur Übersicht eine Liste mit allen Urheber:innen zu finden, deren Werke 2022 gemeinfrei geworden sind:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Public_Domain_Day/2022_in_Public_Domain

Einen Zugang zu gemeinfreien Werken bietet wiederum archive.org/

Weitere Infos zum Thema Gemeinfreiheit finden Sie unter: https://irights.info/artikel/gemeinfreiheit-wie-frei-ist-frei/29619

  Unsere Autorinnen

Ann Kristin Beckmann

Studentische Mitarbeiterin im eTeam-Digitalisierung

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Sarah Görlich

Mitarbeiterin im Bereich eLearning des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und Netzwerkstelle für das Landesportal ORCA.nrw.

sarah.goerlich@rub.de