Digitale, interaktive und innovative Zugänge schaffen
Neue Perspektiven zur Bochumer Geschichte
Eine interaktive Karte mit über 550 Bochumer Erinnerungsorten und -stätten lässt eine vielseitige Landschaft entstehen. Das Projekt „Lernen durch Erinnern“ stößt Lernprozesse an und bringt sie voran. So erhalten z. B. Geschichtslehrende an Bochumer Schulen und Umgebung innovative Werkzeuge und Materialien und können Schüler*innen damit wichtige Einblicke in die Geschichte ihrer Stadt geben. Dadurch sollen sie und viele weitere Bürger*innen lernen und verstehen, dass der Holocaust kein abstraktes Ereignis in weiter Ferne war, sondern etwas, dass auch vor ihrer eigenen Haustür stattgefunden hat.
Gegen das Vergessen und für eine Stärkung der Demokratie entstand das Projekt in einem Seminar zur Erinnerungskultur der NS-Zeit im Ruhrgebiet an der Ruhr-Universität Bochum. Hier wurde den Geschichtsstudierenden Thorben Pieper und Sebastian Döpp bewusst, wie wenig sie bisher über die Geschichte des Nationalsozialismus an dem Ort gewusst haben, an dem sie studieren.
Das hat seine Gründe. Bei Recherchen stellten sie fest, dass die Bochumer NS-Erinnerungslandschaft nicht besonders sichtbar ist, im Gegensatz etwa zur omnipräsenten Industriekultur des Ruhrgebiets. Doch da diese beiden Gegenstände ihrer Ansicht nach untrennbar miteinander verbunden sind, wollten Pieper und Döpp etwas dazu beitragen, dass dieser wichtige Teil der Erinnerungskultur sichtbar und zugänglich wird.
Vernetzen ist wichtig
Das Projekt möchte mit digitalen Angeboten verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Konzepten ansprechen, um es somit größtmöglich sichtbar zu machen. Über Instagram sollen besonders junge Leute und über Twitter etwa Menschen aus der Wissenschaftscommunity, der Lehre und Industrie und Wirtschaft angesprochen werden, um ein möglichst breites Interesse für die Bochumer Stadtgeschichte zu wecken und sich daran aktiv zu beteiligen. Wöchentlich präsentiert das Projekt einen der über 550 Erinnerungsorte über die sozialen Medien. Somit werden sie kontextualisiert und nachhaltig ohne viel Aufwand verankert. Die Plattformen motivieren durch ihre Kommentarfunktion zur aktiven Interaktion mit interessierten Bürger*innen. Das Projekt-Team besuchte eigens dafür einen zweitägigen Workshop, um sich mit den Basics und dem nötigen Know-How der Kommunikation über Social Media vertraut zu machen, um sie effektiv in seinem Kanal anzuwenden.
Interaktive Karte und GPS basierte Führungen
Seit Frühjahr 2019 arbeiten sechs Studierende daran, die Bochumer Erinnerungslandschaft zusammenzutragen und spannend aufzubereiten, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Corona hat dieses Vorhaben in die digitale Sphäre gehoben und es wurden – anfangs noch ungeplante und ungeahnte – Möglichkeiten auf einmal offenbar. Kernstück des Projekts ist eine interaktive Karte mit Informationen zu den Erinnerungsorten, die u. a. mit technischer Unterstützung von Kathrin Braungardt aus unserem RUBeL Team erstellt wurde.
Für die, die Orte der Erinnerung besuchen möchten, eröffnen GPS-basierte Führungen die neuen Perspektiven und Zugänge zur Bochumer Stadtgeschichte und ermöglichen eine aktive Orientierung. Im Gegensatz zu traditionellen Führungen, in denen Teilnehmende erfahrungsgemäß häufig den Bezugspunkt und den Anschluss an die Führung verlieren, können sie durch eine App der Führung stets folgen und sich orientieren. Die App Bi-Parcours ermöglicht Führungen zu Themen, wie u. a. “Jüdisches Leben”, “Verfolgung und Widerstand” und “Fußball in der NS-Zeit”, entlang ausgewählter Erinnerungsorte und hat bereits Schulklassen und Studierende begeistert.
Schüler sollen verstehen, dass der Holocaust und die Verfolgung politisch und religiös Andersdenkender, Menschen mit Behinderung oder Homosexuellen kein abstraktes Ereignis ist, das weit weg in den Konzentrationslagern im Osten stattgefunden hat. Wir zeigen, dass diese Ereignisse direkt vor der eigenen Haustür begonnen haben.
Die Website, die Arbeit im Backend, das Erstellen des Audio- und Videomaterials, inklusive des Imagevideos, wären ohne einiger guter Kontakten nicht möglich gewesen. An dieser Stelle unterstreicht Döpp, wie wichtig auch gerade in der Wissens- und Wissenschaftskommunikation eine gute Vernetzung ist und dankt allen Unterstützer*innen für ihren Beitrag zu diesem unverhofft innovativen und auf mittlerweile breites Interesse gestoßenem Projekt. Die interaktive Karte und die Website befinden sich weiter im Aufbau und wer einen Ort der Erinnerung ergänzen und zur Stadtgeschichte 2.0 beitragen möchte, kann über die Webseite lernendurcherinnern.ruhr-uni-bochum.de Kontakt aufnehmen.
Kurz vor dem Gespräch zu diesem Artikel teilte Herr Döpp mit, dass er gerade auf dem Weg sei, um das Projekt als e.V. eintragen zu lassen. Herzlichen Glückwunsch, viel Erfolg und viele, viele Besucher*innen und Nutzer*innen Eures tollen und wichtigen Projekts wünschen wir Euch vom RUBeL-Team!
Und wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, Fragen zur eigenen Implementierung einer Karte, zur App Bi-Parcours oder anderen Möglichkeiten zu geographischen Lernwerkzeugen haben, melden Sie sich gern bei uns!
Interesse an dem Thema? Lesen Sie auch unseren Vorgängerartikel zum Thema digitale Karten Mapping: Informationen mit interaktiven Karten visualisieren
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