Am dritten Donnerstag im Mai findet jedes Jahr der Global Accessibility Awareness Day, kurz GAAD, statt. An vielen Orten überall in der Welt beschäftigen sich an diesem Termin Interessierte mit den Themen Barrierefreiheit und Inklusion. Zum wiederholten Mal war auch die FernUniversität Hagen als Veranstaltungsort vertreten, diesmal wurde dort am 16. Mai zum Thema „Digitalisierung und Inklusion“ getagt.
Nach der Begrüßung wurde das Wort an Frau Prof.in Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten gegeben, die hier gleich in einer mehrfachen Rolle auftrat: als Professorin der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), als Leiterin des Zentrums für Blinde und sehbehinderte Studierende (kurz BliZ) an der THM sowie als Landesbeauftragte für barrierefreie IT in Hessen. In ihrem Vortrag kam sie auf Gesetzestexte zur Barrierefreiheit zu sprechen, die sich auf jedes ihrer Aufgabengebiete auswirken. Neben dem Behindertengleichstellungsgesetz des BGG stand dabei vor allem die EU-Richtlinie 2016/2102 im Fokus. Diese besagt, dass Webauftritte aller öffentlicher Stellen, die nach September 2018 veröffentlicht wurden und werden, ab September 2019 barrierefrei gestaltet sein müssen, für bestehende Websites soll diese Regelung ab September 2020 gelten, für mobile Anwendungen ab Juni 2021. Ausnahmen von dieser Anforderung sollen nur möglich sein, wenn sie gut begründet werden können.
Doch wie sieht die Realität aus? Auch darauf ging Frau Prof.in Meyer zu Bexten ein: Tendenzen seien zu erkennen, aber die Umsetzung von Maßnahmen im Sinne der Barrierefreiheit seien nach wie vor nicht die Regel. Ein Schritt sei die Berücksichtigung von Barrierefreiheit im Rahmen neuer übergreifender digitaler Angebote. Als Beispiel nannte sie hier die „Digitale Hochschule Hessen“, deren Ziel es ist, den Studierenden Zugang zu barrierefreien, qualitätsgescherten Lerninhalten zu ermöglichen. Um dies zu realisieren, wird das von Frau Prof.in Meyer zu Bexten 1998 gegründete BliZ in die Arbeit und den Aufbau der digitalen Plattform beratend eingebunden, welches auf langjährige Erfahrungen im Abbau von Barrieren zurückblicken kann. Das BliZ, das erst nur für blinde und sehbehinderte Studierende vorgesehen war, inzwischen aber auch Anlaufstelle für Studierende ist, die andere Behinderungen oder chronische Krankheiten haben, hat ein breites Aufgabenspektrum: von der Zurverfügungstellung von PC-Arbeitsräumen mit Braillezeilen und Vergrößerungssoftware bis hin zu individuellen Beratungen sowie Hilfe bei der Umsetzung von Nachteilsausgleichen. Auch Lehrenden stehen die Mitarbeiter/innen des Zentrums informierend und beratend zur Seite. Vergleichbare Institutionen gibt es laut Frau Prof.in Meyer Bexten in Deutschland nicht. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass auch woanders mehr in diesem Bereich getan wird.
Der Nachmittag wurde eingeleitet von Laura Phillips von der WDR mediagroup GmbH, die von ihrem Arbeitsalltag als „Untertitlerin“ für das Fernsehen berichtete. Neben der Präsentation von nützlichen Tipps zur Gestaltung von Untertiteln, wie der farblichen Markierung von Sprecherrollen und einem möglichst pyramidenförmigen Aufbau bei mehrzeiligen Texten, stellte sie auch die Herausforderungen bei dieser Arbeit heraus: Die Deutschen seien langsame Leser/innen, mehr als 13 Zeichen pro Sekunde zu erfassen, fiele den meisten schwer. Hinzu komme, dass die Technik häufig noch in den Kinderschuhen stecke. Gerade bei der Untertitelung von Live-Sendungen müsse auf Spracherkennungssoftwares zurückgegriffen werden, die jedoch noch so fehleranfällig seien, dass die Mitarbeiter/innen der WDR mediagroup GmbH ihre Multitasking-Fähigkeit in vielen Fällen unter Beweis stellen müssten: Zusätzlich zu dem Nachsprechen des Gesagten samt Satzzeichen sei es notwendig, den durch das System erkannten Text auch noch an einigen Stellen händisch zu korrigieren, bevor er möglichst zeitnah in die live ausgestrahlte Sendung eingespielt wird. Deswegen setze das Unternehmen bei zuvor aufgezeichneten Sendungen noch immer auf manuelle Transkriptionen durch die Mitarbeiter/innen. Offen sei, wie sich ihre Arbeit in den nächsten Jahren entwickeln werde, wenn die technischen Möglichkeiten in diesem Bereich fortschreiten.
Nach diesem spannenden Einblick in das professionelle Erstellen von Untertiteln stand der Status quo an Hochschulen im Mittelpunkt. In Gruppen wurden u. a. folgende Fragen diskutiert: Wie können Lehrende davon überzeugt werden, ihre Videos zu untertiteln bzw. untertiteln zu lassen? Welche Ressourcen sind dafür notwendig? Welche Hilfsmittel stehen bei der Produktion von Untertiteln zur Verfügung? Haben sich an manchen Hochschulen bereits Standards dafür etabliert? Insgesamt zeigte die Diskussion, dass es schwierig ist, ein pauschales Konzept für Hochschulen bzw. Lehrende zu entwerfen, da die gegebenen technischen Voraussetzungen sehr heterogen sind und die Anzahl der produzierten Videos stark differiert. Einig waren sich alle Teilnehmenden, dass auch hier der Möglichkeiten geharrt werden darf, die die Technik auf diesem Gebiet in einigen Jahren bieten mag.
Deutlich wurde aber ebenso, wie den ganzen Tag über, dass einfach nur abwarten nicht hilft, sondern auch aktiv etwas getan werden muss, damit das Ziel der EU Richtlinie 2016/2102 Realität wird. Ob nun im Bereich Videountertitelung oder durch andere Maßnahmen zur Barrierefreiheit: Jeder Einzelne, der an der Beauftragung, Planung, Erstellung und Pflege von digitalen Angeboten beteiligt ist, ist gefragt, sich zu überlegen, was er oder sie dazu beitragen kann, dass diese möglichst für jeden zugänglich werden.
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