Beim Arbeitskreis digitale Ethik (Twitter: #AKDigitaleEthik) des Center for Advanced Internet Studies (CAIS) diskutieren Forscher*innen und Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung, Verbänden, Bildung u.v.m. gemeinsam über Fragen rund um die ethischen Herausforderungen der Digitalisierung. Wissenschaftliche Vorträge, sogenannte Impulse, geben dabei einen Einblick in den Stand der Forschung im Kontext digitaler demokratischer Öffentlichkeit. Das Ziel der Veranstaltung ist es, bereichsübergreifend Anregungen für Handlungsoptionen zu erhalten, indem Forschungsbefunde und Praxisbeiträge diskutiert werden.

Am 05.07.19 ging es im Bochumer Bluesquare um den Aspekt „digitale Kultur“. Dr. Matthias Begenat moderierte zunächst eine Begrüßungs- und Vorstellungsrunde für die circa 20 Teilnehmenden. Dann wurden mittels Mentimeter drei Schlagwörter zu folgenden Fragen gesammelt:

  • Was verbinden Sie mit digitaler Kultur?

  • Wie werden Online-Diskussionen Ihrer Meinung nach geführt?

  • Wie würden Sie die Sicherheitskultur in Ihrer Organisation beschreiben?

Die Wortwolken (Wortwolken sind Ansammlungen von Schlagwörtern zur Visualisierung eines bestimmten Themas, Begriffs oder Wortes. Die Häufigkeit und Relevanz der verwendeten Begriffe bestimmen die Größe der einzelnen Wörter.) lenkten die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte und führten zu lebendigen Diskussionen.

Im nächsten Schritt gab Jun.-Prof Dr. Marc Ziegele (Heinrich-Heine Universität Düsseldorf) einen Impulsbeitrag zu „Digitale Diskussionskultur: Empirische Befunde zur Qualität, Wirkung und Moderation von Online-Diskussionen.“ Der Beitrag zeigte auf, wie diskursive journalistische Moderation dazu beitragen kann, Kommentarspalten als Raum für sachliche, respektvolle und gleichberechtigte Diskussionen zu nutzen. So wurden vier Moderations-Stile identifiziert (Diskutieren, Regulieren, Vergemeinschaften und/oder Konfrontieren) und er beschrieb,  dass ein vergemeinschaftender Stil respektvollere Diskussionen fördert. Der Analyse zufolge waren Anschlussdiskussionen unter Kommentaren, die mit dem Stil Vergemeinschaften moderiert wurden, respektvoller als die Anschlussdiskussion unter vergleichbaren nichtmoderierten Kommentaren (Ziegele, M., Jost, P., Frieß, D., & Naab, T. (2019). Aufräumen im Trollhaus .URL: https://diid.hhu.de/wp-content/uploads/2019/04/DIID-Precis_Ziegele_V3.pdf, S. 4).

Im Rahmen des Vortrags stellte er die Initiative #ichbinhier vor (eine Facebook-Gruppe, die gegen Hasskommentare und Hetze im Internet vorgeht). Laut Analyse kann das Engagement die Qualität von Online-Diskussionen verbessern. Den Artikel von Ziegele “Aufräumen im Tollhaus – Zum Einfluss von Community-Managern und Aktionsgruppen in Kommentarspalten” zur quantitativen Inhaltsanalyse der Facebook-Seiten von 15 deutschen Nachrichtenmedien (u.a. Tagesschau.de, Spiegel Online, Die Welt, FAZ) finden Sie online unter: https://diid.hhu.de/wp-content/uploads/2019/04/DIID-Precis_Ziegele_V3.pdf

In der Diskussion zum Impuls ging es unter anderem um die Vermutung, dass die Angst vor Hasskommentaren verhindere, dass Menschen ihre Meinung im Netz kundtun und gefühlte Mehrheiten damit verschiebe.

Der zweite Impuls kam von Frau Prof. Christiane Eilders (Heinrich-Heine Universität Düsseldorf): „Dissonanzen als Merkmal aktueller Online-Öffentlichkeiten: Gegen und Nebeneinander statt Konsensbildung“. Ihr Beitrag beschäftigte sich mit einer neuen Öffentlichkeitstheorie, um Dissonanzen, Brüche, Konflikte und Disruption in Online-Öffentlichkeiten besser erforschen zu können. Einen interessanten Artikel von ihr finden Sie unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1424489615000211 (Porten-Cheé, P. & Eilders, C. (2015). Spiral of silence online: How online communication affects opinion climate perception and opinion expression regarding the climate change debate. Studies in Communication Sciences, 15(1), 143-150.).

In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um politische Wertekonflikte. So fragten sich die Teilnehmenden, ob es jenseits des Strafrechts Grenzen der Diskussion gibt und was die eigenen Werte dabei seien. Bislang konnte die politische Diskussion durch ein Rechts-/Links-Schema beschrieben werden. Die Teilnehmenden diskutierten, ob dieses Schema durch die Pole „Populismus“ und „Moralismus“ ersetzt werden, bzw. ob diese eine weitere Dimension darstellen könnten. Ebenfalls wurde besprochen, wie sich das Milieu zum kulturellen Konflikt und zur individuellen Meinungsgfindung verhalte.

Matteo Cagnazzo von Aware7 hielt den dritten Impuls: „h4ck th3 pl4n3t – Digitale Sicherheitskultur im Wandel“ und startete mit Catcontent als Internetphänomen und Teil unserer Netzkultur. Er erläuterte White Hats (Ausdruck für einen Hacker, der eine Security-Schwachstelle in einem Computersystem oder einem Netzwerk identifiziert und meldet) und Black Hats (dieser versucht Einbrüche in ein Computer-System zu seinem Vorteil auszunutzen.) Herr Cagnazzo verwies darauf, dass Mobilgeräte zumeist gar nicht so schlimm mit Malware identifiziert seien, sondern vielmehr Anhänge in E-mails ein Problem darstellen. Zusätzlich dazu appellierte er, die Einstellung von Akteuren der Sicherheitskultur zu ändern, damit jene, die aus Versehen einen Anhang geklickt haben, sich überhaupt erst trauen dies zuzugeben. Zum Abschluss brach er die Lanze für Betreibende von Ransomware (Schadprogramme, mit deren Hilfe ein Eindringling den Zugriff des Computerinhabers auf Daten, deren Nutzung oder auf das ganze Computersystem verhindern kann), denn auch diese hätten durchaus ein Herz, zumindest wenn der oder die Betroffene aus dem richtigen Land käme. Sein Zwischenfazit (für Hacker): “Sei kein Arsch!” Der Einfluss auf Politik und Entscheidungen ist massiv. Interessante Verantsaltungen von Aware7 finden Sie unter: https://aware7.de/events/

Die anschließende Diskussion drehte sich um die eigene Handlungsfähigkeit, wenn andere die Daten ohne Einwilligung weitergeben und dass eine Sicherheitskultur immer ein Maß an Risikobereitschaft mit einschließen müsse.

Das Center for Advanced Internet Studies (CAIS) erforscht die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen, die durch das Internet und die Digitalisierung ausgelöst werden. Als Forschungskolleg ermöglicht das CAIS Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, sich als Fellows einem Projekt im Bereich der Digitalisierung und Internetforschung zu widmen. Darüber hinaus fördert das CAIS Veranstaltungen und Arbeitsgemeinschaften.