Wie Konzepte der Online-Lehre in der Philosophie funktionieren können.
|Ein Beitrag von Jun. Prof. Dr. Sebastian Weydner-Volkmann und Ann Kristin Beckmann|
Mit dem digital-gestützten Sommersemester 2020 erlebte die Universitätslehre an der RUB einen plötzlichen Umschwung zur reinen Online-Lehre. Manche Fachbereiche hatten damit schon im Vorhinein viel Erfahrung sammeln können, andere standen hingegen vor vollkommen neuen und unbekannten Herausforderungen. Doch aus der vermeintlichen Not und mit neuen Blickwinkeln entstanden viele innovative Ideen und Bereicherungen für die Online-Lehre.
Mit den Erfahrungen und Feedback der Studierenden aus dem Sommersemester war es Herrn Jun.-Prof. Dr. Sebastian Weydner-Volkmann möglich, sich ein Konzept für das Wintersemester 2020/21 zu erarbeiten. Nicht nur bot das Seminar mit dem Titel „Vertrauen: Ein Schlüsselbegriff zur Bewertung von Digitaltechniken“ thematisch einen wichtigen Beitrag zur derzeitigen Situation. Gleichzeitig machte Herr Weydner-Volkmann diese Thematik in einem ansprechenden Lehrkonzept den Studierenden zugänglich.
Grundlage: Blended Learning und Inverted Classroom
Das Blended-Learning-Konzept ist eine Verschmelzung von Präsenz- und Online-Elementen. Online-Elemente werden didaktisch sinnvoll in das klassische Lehrkonzept der Präsenzlehre integriert. Sie unterstützen und ergänzen die Präsenzsitzung durch online zur Verfügung stehende Materialien. So können sich Studierende unabhängig von Zeit und Ort mit dem Thema auseinandersetzen und sich vor- und nachbereiten.
Der damit verwandte Inverted Classroom dreht das klassische Lehrkonzept um. Der Input erfolgt selbstständig zuhause in Einzelarbeit. Hier eignen sich Studierende das Wissen an und arbeiten das Material vor. Im Anschluss gehen sie mit Kommiliton:innen und Lehrenden in der Präsenzsitzung in die Diskussion. Der Präsenzteil dient nicht länger dazu, reines Wissen zu vermitteln, sondern zur Vertiefung, Reflektion und zum Üben des Inhalts. Dies ermöglicht es, ein tiefergehendes Verständnis für die Thematik zu erlangen und verschiedene Perspektiven zu betrachten.
Die Idee der Vorbereitung Zuhause und der Diskussion im Plenum ist in der Philosophie an der RUB nicht unüblich. Die Präsenzsitzungen der Seminare dienen meist zur kritischen Diskussion über zuvor vorbereitete Texte und Themen. Da im Wintersemester 2021 der Präsenzteil allerdings wegfallen musste, ergab sich eine neue Herausforderung: Wie kann die Diskussion in den Online-Bereich übertragen werden?
Konzept und Umsetzung des Seminars „Vertrauen: Ein Schlüsselbegriff zur Bewertung von Digitaltechniken“
Das Seminar wurde in Blöcke bestehend aus jeweils einer Moodle-Woche und einer Zoom-Woche eingeteilt, die thematisch aufeinander aufbauten. Die Moodle-Woche diente dazu, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Dazu gab es die Aufgabe, einen Text zu lesen und auf dessen Grundlage eine Leitfrage auf etwa einer Seite zu beantworten. Dafür wurde das Tool „Aufgabe“ verwendet, in dem die Studierenden ihre Texte als PDF hochluden und ein kurzes Feedback durch den Dozenten erhielten. Außerdem sollten alle Teilnehmer:innen in einem Forum zur Sitzung in Moodle einen Beitrag mit einer selbst erarbeiteten Frage an den Text oder einem interessanten Diskussionspunkt verfassen sowie auf mind. einen anderen Beitrag eingehen. Hierüber sollte eine kritische Diskussion und die Interaktion zwischen den Teilnehmer:innen im Vorgriff auf die Zoom-Woche angeregt werden. Ein unverhoffter Nebeneffekt war, dass dies auch die Moderation der Zoom-Sitzung erleichterte, weil sich bereits wichtige Punkte abzeichneten, denen in der Diskussion dann auch gezielter Raum gegeben werden konnte.
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Für die Zoom-Woche wurde von den Teilnehmer:innen dann ein zweiter, kürzerer Text oder auch ein Videobeitrag vorbereitet, der dasselbe Thema noch einmal vertiefte, ergänzte oder von einer anderen Perspektive beleuchtete. Auf Grundlage der vorbereiteten Materialien erfolgte in der darauf folgenden Woche eine Diskussion mit allen Teilnehmer:innen des Kurses. Diese fand über Zoom statt und setzte sich meist aus einem Referat und einer Diskussion zusammen. Hier bekamen die Studierenden dann die Möglichkeit, ihre Ideen auszutauschen und Diskussionen aus dem Forum weiterzuführen.
Mit diesem Konzept wurden neben den thematischen Inhalten auch verschiedene Kompetenzen geübt, wie die schriftliche Rekonstruktion von und kritische Auseinandersetzung mit Forschungstexten, die Diskussion in schriftlicher und mündlicher Form sowie das Präsentieren vor einer Gruppe.
Der Moodle-Kurs beschränkte sich auf die notwendigen Inhaltstypen und blieb somit übersichtlich und konnte für die für ihn vorgesehenen Aufgaben verwendet werden. Durch die Funktion „Aktivitätenabschluss“ und den Fortschrittsbalken erhielten die Studierenden selbst einen Überblick über ihre Aktivitäten und konnten diese ganz einfach verfolgen.
Feedback der Studierenden
Auch die Evaluation am Ende der Vorlesungszeit spiegelte die Zufriedenheit auf Seiten der Studierenden wider. Viele befürworteten, dass nicht jede Woche Zoom-Sitzungen stattfanden. Dies bedeutete nämlich nicht nur, dass das Konzept abwechslungsreich blieb, sondern auch, dass die Studierenden nicht so viele Stunden in Zoom-Meetings verbrachten, was der Erfahrung nach für viele sehr anstrengend ist und eine neuerdings auftretende sogenannte „Zoom Fatique“ verursacht.
Viele Studierende fühlten sich auch durch die intensive Vorbereitung motiviert, sich an Diskussionen im Plenum zu beteiligen und nicht bloß passiv an den Zoom-Sitzungen teilzunehmen. Die Reduzierung der Themenbereiche auf die Hälfte, dadurch dass sich immer zwei Sitzungen mit demselben Thema auseinandersetzten, und die dafür vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung wurde von dem Großteil der Studierenden befürwortet.
Allerdings wünschten sich einige auch, dass das zur Verfügung stehende Material außerhalb von Texten erweitert würde, oder dass der immer gleich ablaufende Rhythmus durch Alternativen zur Leitfragenbeantwortung ein wenig aufgelockert würde.
Fazit: Lehren aus der Online-Lehre
In Zukunft wird es wieder Präsenzlehre an der RUB geben. Doch heißt das, dass alle neuen Ideen, Formate, Methoden, die in den vergangenen Semestern erarbeitet und durchgeführt wurden, nicht länger benötigt werden?
Die Möglichkeiten, die sich für die Lehre durch Zoom (und ähnliche Anwendungen) ergeben haben, waren in der Pandemie ohne Zweifel sehr wertvoll! Dennoch zeichnet sich für Herrn Weydner-Volkmann ab, dass die Diskussion in Präsenz ihrem Pendant über Zoom deutlich überlegen ist, weil zumindest für philosophische Seminare die Anwesenheit eine intensivere, engagiertere und persönlichere Interaktion erlaubt. Zugleich scheint der Wechsel zwischen selbstständiger Textarbeit und vertiefender Diskussion mit Blick auf den Lernerfolg und die Qualität der Diskussionen im Seminar sehr förderlich zu sein. Dass sich dies über Moodle-Funktionen recht einfach unterstützen und organisieren lässt, spricht seiner Meinung nach dafür, Konzepte des Blended Learning und Inverted Classroom auch nach der Pandemie einzusetzen. Dies auch deshalb, weil sich Online-Interaktionen der Teilnehmer:innen hervorragend dazu eigenen, die Diskussion vorab anzubahnen und der Lehrperson zu helfen, sinnvolle Schwerpunkte in der Seminar-Moderation zu identifizieren.
Sebastian Weydner-Volkmann wurde zum 1. Februar 2020 auf die Juniorprofessur für Ethik der digitalen Methoden und Techniken berufen. Er studierte Philosophie, englische Literatur- und Sprachwissenschaften sowie Politikwissenschaften an der Universität Freiburg und promovierte am dortigen Centre for Security and Society sowie am Husserl-Archiv im Schnittbereich von Technikethik, Moralpragmatismus und Sicherheitsforschung. Derzeit ist er unter anderem Principle Investigator im Forschungskolleg SecHuman zum Thema Cybersicherheit.
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