Projektkoordintor Jonas Leschke

Im Gespräch mit „AIStudyBuddy“-Projektkoordinator Jonas Leschke, der sich im Rahmen des Forschungsvorhabens an der Ruhr-Universität Bochum u. a. mit der Frage beschäftigt, wie Studienverläufe verbessert werden können und wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz dabei unterstützen kann.

Wie können die Studienverläufe von Studierenden verbessert werden? Dieser Frage widmet sich das Forschungsvorhaben „AIStudyBuddy“ an der Ruhr-Universität Bochum.

Studieren ist ohne Zweifel eine spannende und zugleich auch herausfordernde Tätigkeit. In aller Regel ist Studieren für die meisten Erstsemester aber vor allem etwas gänzlich „Neues“, was als Herausforderung zusätzlich zu vielen anderen Facetten des eigenen Lebens dazu kommt.

Jede und jeder neue Studierende wechselt aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten in die Hochschule und bringt viele individuelle Erfahrungen nicht nur bei den Themen Lernen, Lesen, Schreiben und sozialem Interagieren mit. Auch die persönlichen Lebensumstände und -pläne der Studierenden sind unterschiedlicher denn je: Themen wie Alter, Betreuungsverpflichtungen, Ehrenämter, Nebenjobs, geplante Auslandsaufenthalte, Auszeiten oder andere Aspekte sind so vielfältig und heterogen wie nie (vgl. hierzu u. a. „Heterogenität im Studium“ von Dr. Jens Jirschitzka). Hochschulen müssen mit der zunehmenden Heterogenität der Studierendenschaft auf neuen Wegen umgehen, wobei die Vielfalt der Studierenden positiv in die Lehre und Studienorganisation einbezogen werden kann.

Heterogene Bildungsbiografien und Vielfalt im Studium

Zeitgleich zur zunehmenden Heterogenität im Studium werden Studiengänge und Curricula an deutschen Hochschulen z. T. individualisierbarer ausgebaut, sodass sich bspw. durch freiwillige Auslandsaufenthalte oder durch eine zunehmende Anzahl an unterschiedlichen Veranstaltungen im Wahl(pflicht)bereich Studienverläufe innerhalb eines einzigen Studiengangs sehr stark voneinander unterscheiden können.

Die eigene Studienorganisation kann aufgrund der Fülle an möglichen Optionen in Sackgassen führen, die den Studienverlauf erschweren. Eine langfristige realistische Perspektive auf den eigenen Studienverlauf wird immer schwieriger.

Kann Künstliche Intelligenz helfen?

Was kann Studierenden tatsächlich helfen, diese eigenen Perspektiven zu finden, und wie können sie unterstützt werden, sich besser zu organisieren, ihre Lernfortschritte zu reflektieren und den individuellen Studienfortschritt im Dschungel der Möglichkeiten zu planen und zu beschreiten?

Eine Idee: Künstliche Intelligenz soll Studierenden der Ruhr-Universität das Lernen, Organisieren und Studieren erleichtern. Unsere Hochschule entwickelt in Kooperation mit anderen Akteur:innen eine Software, die helfen kann, das Studium individueller zu gestalten und zu reflektieren. Das Projekt heißt „AIStudyBuddy: KI-basierte Unterstützung zur Studienplanung“. Wobei „AIStudyBuddy“ so viel wie „Studienkumpel mit künstlicher Intelligenz“ bedeutet – klingt sympathisch. Der Bund fördert das Verbundprojekt, das die RUB in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen und der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) beantragt hat.

Um mehr über dieses Vorhaben und seine Ziele zu erfahren, habe ich mich mit Jonas Leschke, dem Projektkoodinator von AIStudyBuddy an der RUB, getroffen und mit ihm über den intelligenten Studienkumpel gesprochen.

Rein ins Interview!

Anika Kneiphoff (AK): Jonas, du koordinierst AIStudyBuddy an der RUB und bist mit dem Projekt im Bereich eLearning bei uns im Zentrum für Wissenschaftsdidaktik angesiedelt. Erzähl uns bitte einmal ein wenig zum Projekthintergrund und zur Frage: wie viel E-Learning steckt in eurem Buddy?

Jonas Leschke (JL): Wenn wir uns den Projektantrag oder die Informationen auf der Homepage anschauen, scheint die Antwort auf den ersten Blick zu sein, dass E-Learning für das Projekt keine Rolle spielt. Ziel des Projekts ist es, mit Hilfe einer regelbasierten KI und dem Ansatz des Educational Data Minings (EDM) zwei Programme zu entwickeln, die Studiengangsdesigner:innen in der Studiengangsplanung und Studierenden bei der individuellen Studienverlaufsplanung helfen. Durch die regelbasierte KI können die Programme die Vorgaben aus den Prüfungsordnungen berücksichtigen. Die Ergebnisse, die sich aus dem EDM ergeben, helfen Studienverläufe zu identifizieren, die voraussichtlich zu dem angestrebten Abschluss führen.

Das EDM muss aber nicht ausschließlich durch die Auswertung von Prüfungsnoten erfolgen. Möglicherweise lassen sich die formal erfolgreichen Studienverläufe auch mit Hilfe von Daten erkennen, die beim Lernen mit E-Learning-Anwendungen entstehen. E-Learning-Kurse sind natürlich extrem hilfreich, da die darin gespeicherten Daten bereits maschinenlesbar vorliegen. E-Learning ist im Kontext von Lerndatenanalyse daher immer ein wichtiges Thema.

AK: Im Projekt sollen zwei Software-Tools entwickelt werden: StudyBuddy und BuddyAnalytics. Kannst du uns diese beiden Anwendungen kurz und knapp vorstellen?

JL: Der StudyBuddy wird die Software für die Studierenden werden. In dieser erhalten die Studierenden – sofern sie das möchten – Informationen, wie sie ihren Studienverlauf planen können. Dies schließt Vorschläge mit ein, denen die Studierenden aber nicht unbedingt folgen müssen. Auf der anderen Seite kontrolliert der StudyBuddy aber auch, ob der Plan der Studierenden zur jeweiligen Prüfungsordnung passt und zu einem erfolgreichen Studienabschluss führen kann.

BuddyAnalytics ist die Software für die Studiengangsdesigner:innen. Sie hilft dabei, Änderungen in Prüfungsordnungen zu planen und gewisse Prognosen zu den Effekten der Änderungen zu erstellen. Brauchen die Studierenden im Durchschnitt möglicherweise länger für ihr Studium, als sie es bisher tun, oder verkürzt sich die durchschnittliche Studienzeit womöglich sogar?

Im Umgang mit beiden Programmen ist es für die Nutzenden wichtig zu berücksichtigen, dass sie nur Prognosen und Empfehlungen angezeigt bekommen. Die letztendlichen Entscheidungen liegen immer bei den Nutzenden!

AK: Das heißt aber, dass die Nutzer:innen doch zumindest große Unterstützung bei der Wahl ihrer Handlungsoptionen erhalten. Ziel ist also die Entwicklung einer Software, die mit Hilfe moderner KI-Technologie bei der individuellen Planung und Reflexion von Studienverläufen unterstützt. Wie genau möchtet ihr im Projektverbund dieses Ziel erreichen?

JL: Wir haben das große Glück, dass wir in dem Projekt mit drei Hochschulstandorten gemeinsam die Programme entwickeln können. In frühen Entwicklungsgesprächen im Projekt haben wir schnell feststellen müssen, dass offensichtliche und logische Entscheidungen für einen Standort keinesfalls so logisch für einen anderen Standort sein müssen. Ein praktisches Beispiel sind Mehrfachstudiengänge. Dadurch, dass wir an den Standorten immer exemplarische Studiengänge ausgewählt haben, wurden diese zu Beginn der Entwicklung nicht berücksichtigt. Schnell haben die Kolleg:innen der anderen Hochschulen dann allerdings darauf hingewiesen, dass dort insbesondere diese Studiengänge wichtig sind.

Die verschiedenen Prüfungsordnungen sind damit ein wunderbarer Test, wie gut die KI bereits funktioniert und für welche Zusammenhänge sie noch trainiert werden muss.

AK: Okay, die KI muss dann also mehr trainieren. Das hört sich für den einen oder die andere zunächst ungewöhnlich an. Hast du oder habt ihr im Projekt eigentlich das Gefühl, dass Studierende und Studiengangsverantwortliche Berührungsängste oder Ressentiments vor einer KI im Studium haben? Was gibt es z. B. zum Thema Datenschutz und moralisch-ethischen Bedenken zu sagen?

JL: Im Rahmen des Projekts ist es uns wichtig, dass die zukünftigen Nutzenden der Programme am Entwicklungsprozess beteiligt werden. Deshalb haben wir bereits im ersten Projektjahr Workshops mit Studierenden und Studiengangsdesigner:innen durchgeführt und sie nach ihren Wünschen und Vorbehalten gefragt. Ernsthafte Berührungsängste konnten wir dabei nicht feststellen, allerdings erscheint es uns wichtig, dass die Systeme erklärbar bleiben und nicht zu einer Art Black-Box werden, deren Empfehlungen am Ende nicht mehr nachvollziehbar sind. Vielleicht ist diese Offenheit gegenüber KI-Systemen eine Entwicklung, die sich aus unserem täglichen Kontakt im Lebensalltag ergibt.

Das Thema Datenschutz und auch die ethische Bewertung solcher Systeme ist besonders wichtig in unserem Projekt. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass wir mit den jeweiligen Kolleg:innen für den Datenschutz an den drei Hochschulen im engen Austausch stehen und jegliche Akquise und Verarbeitung von historischen Studienverlaufsdaten datenschutzrechtlich abklären.

Für die ethische Bewertung und Reflexion der Systeme konnten wir einen Kollegen vom Lehrstuhl Ethik der digitalen Methoden und Techniken gewinnen, sodass wir die diese Bewertung nicht nur aufgrund unseres eigenen, intuitiven ethischen Verständnisses vornehmen, sondern diese Fragen systematisch und mit fachlicher Expertise diskutiert werden können.

AK: Jonas, was denkst du, wird diese Form der Studiengangsplanung die Zukunft an (deutschen) Hochschulen sein? Wenn wir also in die digitale Glaskugel gucken könnten, wie lassen sich Studienverläufe in den nächsten 10 Jahren deiner Meinung nach planen?

JL: *lacht* Die innovative Antwort auf diese Frage wäre wohl, dass wir in zehn Jahren keine vorgefertigten Studienverlaufspläne mehr brauchen oder gar allgemeingültige, vorgefertigte Prüfungsordnungen haben und uns ein Empfehlungssystem aufgrund unseres persönlichen Profils und Studienziels einen idealen Studienverlaufsplan empfiehlt.

Ich schätze es realistisch aber eher so ein, dass wir durch KI gestützte Studiengangs- und Studienverlaufsplanungen das individuelle Studium im Rahmen von Prüfungsordnungen noch besser unterstützen können und beispielsweise Auslandsaufenthalte einfacher im Studienplan zu integrieren sind. Zudem gehe ich davon aus, dass die Anrechenbarkeit von Studienleistungen und die Durchlässigkeit im Bildungssystem durch solche Systeme erhöht wird. Das Projekt Modus von der HRK denkt bereits in diese Richtung.

Die ganzen Empfehlungen werden dann sicherlich mit einem freundlichen Avatar übermittelt. Hat eigentlich jemand Karl Klammer in den letzten Jahren gesehen?

AK: Danke an Jonas Leschke für diesen spannenden Einblick in die Projektarbeit von AIStudyBuddy.

Wenn Sie weiteres Interesse am Projekt AIStudyBuddy, haben wenden Sie sich gerne direkt an Jonas Leschke (jonas.leschke@rub.de) oder besuchen Sie unsere Projektwebseite AIStudyBuddy@RUB.

Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!